Nichts nährt Populismen besser als ein
kollektives Beschweigen von Angstthemen durch wichtige Medien. Darum war es so fatal, dass die meisten Zeitungen die
dänischen Mohammed-Karikaturen im Jahr 2005 und 2006 nicht oder höchstens sehr schüchtern zeigten. Ausnahme waren damals die
Welt und bis zu einem gewissen Grad die
taz (meine Artikel dazu
hier und
hier).
Heute ist das Bild um einiges solidarischer mit den Opfern.
Die unverklemmteste Seite 1 (neben dem
Berliner Kurier, siehe unten) hat heute eindeutig der
Tagesspiegel, der auch Mohammed-Karikaturen eins zu eins abdruckt.
Ausgerechnet die
Welt, die seinerzeit mit einer mutigen Seite 1 voranging, druckt heute im Feuilleton nur die aktuelle Houellebecq-Karikatur von
Charlie Hebdo. Im gesamten Rest der Zeitung gibt es keine Zeichnung und kein Titelblatt von
Charlie Hebdo.
Die
FAZ geht heute weiter als im Jahr 2006, als sie die Presse aufforderte, Karikaturen zu drucken und es selbst nicht tat. Diesmal druckt sie auf Seite 3 des politischen Teils
einige Titel von
Charlie Hebdo, darunter die Mohammed-Karikatur vor grünem Grund. Im Feuilleton ist eine aufgeschlagene Zeitung mit dem aktuellen Houellebecq-Cover zu sehen. Hier die Seite 3:
Die
SZ wählt den inzwischen häufig begangenen
Mittelweg und druckt zwar keine Karikatur, zeigt aber
ein Foto von Demonstranten, die eine Mohammed-Karikatur hochhalten (Fürs Feuilleton der
SZ scheint die Geschichte zu spät gekommen zu sein):
Die
taz zeigt im Innenteil auch einige der drastischeren Karikaturen, darunter auch Mohammed-Karikaturen.
Auffällig ist, dass die Berliner Zeitungen generell weniger Komplexe haben. Die
Berliner Zeitung zeigt Karikaturen ganz deutlich und ostentativ auf
Seite 1.
So auch der
Berliner Kurier:
Und auch die
BZ:
Ganz besonders "verantwortlich" agieren wieder einmal die
Tagesthemen der
ARD. Eine Karikatur zeigte man unscharf und blendet lieber auf die
Mütze einer Demonstrantin.
Eine weitere Karikatur wird zuerst ganz klein gezeigt:
Und dann für wenige Sekunden größer, aber angeschnitten:
Das
heute journal hat zwar eine wesentlich informativere Berichterstattung, streift aber nur einmal eine Karikatur.
Britische und amerikanische Medien bringen der Religion noch wesentlich größeren Respekt entgegen. Tony Parker von der
Financial Times nennt die Karikaturen von
Charlie Hebdo gar "unverantwortlich". Sein Artikel ist online inzwischen abgemildert. Hier ein Auszug aus der Druckversion.
Viele maßgebliche amerikanische und britische Medien zeigen die drastischeren Karikaturen von
Charlie Hebdo lieber nicht, hat
Buzzfeed herausgefunden. In den USA zeigen
New York Times,
New York Daily News,
AP und alle großen amerikanischen Kabelsender wie
CNN,
NBC und
ABC News keine Mohammed-Cartoons."In Britannien hat der
Telegraph gar eine der Mohammed-Abbildungen von
Charlie Hebdo verpixelt." Zumindest online war der
Guardian eine Ausnahme.
Aber amerikanische Medien sind mit einer solchen Politik nicht allein. In der heute erschienenen
Zeit konnte die Redaktion noch nicht auf die Ereignisse reagieren. Doch wir erinnern uns an
vorletztes Jahr, als Gero von Randow mit Blick auf einen Mohammed-Comic von
Charlie Hebdo schrieb: "Der Verdacht bleibt, es gehe den Autoren nur darum, die Angehörigen einer Glaubensgemeinschaft zu provozieren. Und zwar einer, die in Frankreich diskriminiert wird. Gewiss, auch das soll im Namen der Freiheit gestattet bleiben. Aber eine
Rohheit bleibt es gleichwohl."
Die Illustration der
Zeit sah damals so aus:
Thierry Chervel https://twitter.com/chervel