Mit äußerster Skepsis blicktLarsHenrikGass, Leiter der zuletzt wegen Gass' Israel-Solidarität angegifteten und mit immensen Boykott-Kampagnen angegriffenen InternationalenKurzfilmtagenOberhausen, im Kommentar fürs Branchenmagazin Blickpunkt:Film darauf, wie andere Filmfestivals mit einem "Code of Ethics" an die Öffentlichkeit gehen. Was vordergründig nach Meinungsfreiheit und Menschenliebe klingt, entpuppt sich aber vor allem als Versuch, israelbezogenenAntisemitismus eine Bühne zu erkämpfen. "Unter dem Zwang zur Vereindeutigung, unter Konformitätsdruck tritt der ehemals universalistischeAnspruchvonFilmfestivals, der vor dem Hintergrund der Erfahrungen von Faschismus und Nationalsozialismus und zwei Weltkriegen entstanden war, gegenüber einem naiven Verständnis von Engagement zurück. Spaltungsprozesse gehen heute von der Kultur aus, die sie einmal verhindern sollte. Das aber ist nicht im Sinne einer Kulturförderung im öffentlichen Interesse. Beim Stand der Dinge werden Richtlinien, die Rahmenbedingungen der Kulturförderung klar benennen und auch durchsetzen, mit jedem Tag dringlicher. Dazu gehört eine neue Aufmerksamkeit für Antisemitismus in all seinen Formen."
Im Artechock-Kommentar kann Rüdiger Suchsland dem nur beipflichten und blickt gespannt auf ein Symposium (mit ihm als aktiver Teilnehmer) unter dem Motto "Sehnsucht nach Widerspruchsfreiheit", das nächste Woche die Kurzfilmtage eröffnen wird. "In Oberhausen wird es um Selbstverständigung der freien und (links-)liberalen Kultur gegen die Blockflötenkonzerte der kulturwissenschaftlich aufgeblasenen neuen Maoisten aus der Kuratorenszene und rotlackierten Faschisten aus Neukölln gehen. Es geht um kulturelle Hegemonie und es geht um die Rettung der kritischen Öffentlichkeit gegenüber der Herrschaft einzelner Filterblasen. Den Weltoffenheitserklärungen mit denen an deutschen Kulturinstitutionen die Weltbilder geschlossen werden sollen, muss mit wirklicherOffenheit, mit Lust am Widerspruch und Streit entgegengetreten werden." Im Artechock-Podcast sprechen Rüdiger Suchsland und Lars Henrik Gass eine Stunde zum Thema.
Weitere Artikel: Im Filmdienstführt Esther Buss durch die Filmwelten des argentinischen Auteurs LisandroAlonso, dessen neuer (bei Artechchock und bei uns) besprochener Film "Eureka" (unsere Kritik) eben angelaufen ist, Dunja Bialas berichtet auf Artechock vom Festival "Visions du Réel" im Schweizer Nyon. In UK gibt es immer mehr Filmclubs, die sich aufs Zeigen von historischen35mm-Kopien spezialisiert haben, berichtet Steph Green im Guardian.
Besprochen werden LucaGuadagninos Tennis-Erotikfilm "Challengers" (Standard, Artechock, NZZ, mehr dazu hier), Mathieu Amalrics Kinodoku "Zorn" über den Jazz-Musiker JohnZorn (Standard), Matthias Glasners "Sterben" (Artechock, FAZ, mehr dazu hier), Kobi Libiis Sozialsatire "The American Society of Magical Negroes" (Tsp), CordJeffersons auf Amazon gezeigte Satire "American Fiction" auf den US-Literaturbetrieb (SZ) und die Netflix-Serie "Dead Boy Detectives" nach Comics aus dem "Sandman"-Universum von NeilGaiman (FAZ).
Tennis und Sex, obendrein eine Ménage à trois: Der italienische Autorenfilmer LucaGuadagnino bringt mit "Challengers" im Kino zusammen, was dort bislang eher selten zusammengedacht wurde. Als Marketing-Schlager spielt dann noch Zendaya, derzeit der angesagteste Filmstar der GenZ, die Hauptrolle. Der Regisseur "suhlt sich in der Schönheit von makellosen Hardcourtplätzen und Tennisoutfits, dem Sound von Topspinvorhänden und Kickaufschlägen", schreibt Daniel Gerhardt auf Zeit Online. "Es wäre nicht das erste Mal, dass der Regisseur Sex und Sinnlichkeit dort erkennt, wo andere Leute sich gelangweilt oder auch angeekelt abwenden." Auch SZ-Kritiker Joachim Hentschel ist nicht so richtig angetan: Der Film "hat über weite Strecken die Struktur einer ausstattungsedlen Soap Opera. Was an sich kein Problem wäre, wenn die Darstellerinnen und Darsteller es schaffen würden, diesen Dialogen etwas mehr Leben, Virtuosität und emotionale Mehrschichtigkeit zu schenken", mal ganz "abgesehen davon, dass hier - für einen so explizit als sexy vermarkteten Film - schon erstaunlich wenig gebumst wird".
Der argentinische Auteur LisandroAlonso schließt mit "Eureka" an seinen Film "Jauja" von vor zehn Jahren an: Erneut stapft ViggoMortensen auf der Suche seiner Tochter durch ein historisches Setting, diesmal durch den frühen amerikanischen Westen - wobei der Film kaum vermittelt Zeiten und Räume aufbricht: "Eine History of Violence zieht sich durch die Vereinigten Staaten", schreibt Tilman Schumacher im Perlentaucher, "sie bestimmt das ausgehende 19. Jahrhundert ebenso wie die Gegenwart." Es "ist ein düsterer, nie aber schwerfälliger Travelogue durch diverse Zeit-RäumedesamerikanischenKontinents. Keine 'Geschichtsstunde', eher ein Mahnmal, ohne klar erkennbare Funktion. Wer bereit ist, sich ihm anzunähern, wird mit viel Sinnlichkeit belohnt - und auch mit der einen oder anderen Merkwürdigkeit." Für die SZ bespricht Philipp Stadelmaier den Film: "Alonsos Kino kennt nur den Raum", der sich ausdehne und alle räumlichen und zeitlichen Grenzen überwinde. "Diese Form der Entgrenzung ist stimulierend, wirkt aber oft unorganisch und konzeptuell", findet Stadelmaier. Dennoch biete der Film "ein in seiner Weite faszinierendes Panorama".
Außerdem: Joachim Hentschel spricht für die SZ mit LarsEidinger über dessen Rolle in MatthiasGlasners (in der tazbesprochenem) Ensemblefilm "Sterben" (mehr dazu bereits hier). Jakob Thaller wirft für den Standard einen Blick aufs Programm des Red Lotus Asian Film Festivalsin Wien. In seiner Filmdienst-Serie über HeistMoviesdenkt Leo Geisler über Jean-PierreMelvilles "Bob le Flambeur" nach.
Besprochen werden StéphaneBrizés Liebesfilm "Zwischen uns das Leben" (FR), die DavidM. Leitchs Actionkomödie "The Fall Guy" mit Ryan Gosling (FR), die ARD-Dokuserie "Willy - Verrat am Kanzler" (FAZ) und die im SRF gezeigte Science-Fiction-Serie "Mindblow" (NZZ). Außerdem informiert das Filmteam der SZ, welche Filme sich lohnen und welche nicht. Und hier alle Kritiken des Filmdiensts zur aktuellen Kinowoche.
Philipp Bovermann feiert in der SZMatthiasGlasners autobiografisch grundierten Ensemblefilm "Sterben", in dem es um die "Herzenskälte" einer Mittelschichtsfamilie geht: Der Vater (Hans-UweBauer) ist eben dement im Altersheim gestorben, die krebskranke Mutter (CorinnaHarfouch) in Lieblosigkeit und Ungeliebtheit erkaltet, der Sohn (LarsEidinger) ist angehender Klassikstar, die Tochter (LilithStangenberg) am Leben scheiternde Grenzgängerin. Es ist "Glasners bislang reifster, auch unterhaltsamster Film", schreibt Bovermann: "Großartig ist er in erster Linie wegen seiner Schauspieler. Sie bringen, bis in die Nebenrollen, so viel mit in den Film, dass die erzählte Handlung durchlässig wird für etwas jenseits der Geschichte", was ihm vor allem die exzessive Stangenberg-Episode vor Augen führt: "Um die Herzenskälte zu finden, darf man nämlich nicht nur dorthin gehen, wo es besonders wehtut. Die schwachen Stellen des Schmerzes sind entscheidend, die, an denen er in die Belanglosigkeit absackt, in die Ablenkung, Zerstreuung und Blödelei. Gerade, wenn man ihm auf die Schliche zu kommen droht, lässt er locker und schenkt einem Episoden alberner Heiterkeit. Nachtfahrten durchs Leben, die einem hinterher keiner glauben würde, und die man sich selbst nicht recht glaubt, weil sie wie ausgedacht wirken." Auch Tagesspiegel-Kritikerin Christiane Peitz weiß den "beiläufigen, den Existentialismus sanft unterhöhlenden Humor" des Films zu schätzen.
Außerdem: Der deutsche Film entdeckt die Altenpflege, schreibt Ralf Krämer im Freitag - ebenfalls aus Anlass von Glasners "Sterben". Claudius Seidl (FAZ) und Fritz Göttler (SZ) gratulieren ShirleyMaclaine zum 90. Geburtstag. Besprochen werden ChristophHübners und GabrieleVoss' Langzeit-Dokumentarfilm "Vom Ende eines Zeitalters", der über 45 Jahre hinweg den Strukturwandel im Ruhrgebiet beobachtet (Zeit Online), LucaGuadagninos Tennisdrama "Challengers" (tazlerin Araballa Wintermayr sah "eine formvollendete Studie des Verlangens" und "leichtfüßigen Hedonismus"), ZackSnyders "Rebel Moon 2" auf Netflix (critic.de), die Netflix-Serie "Ripley" (FAZ) und die Netflix-Serie "Dead Boy Detectives" (Tsp).
Das Internationale Frauen Film Fest widmete sich in Köln in diesem Jahr dem Thema "Rage & Horror", berichtet Silvia Hallensleben in der taz. Die "Re-Aktivierung der dem Weiblichen entweder per Natur abgesprochenen, sozial abtrainierten oder als unangemessen sanktionierten und pathologisierten negativ aufbrausenden Gefühle ist unter FrauenrechtlerInnen schon seit dem 17. Jahrhundert ein Topos. Im Kino wurde es besonders lustvoll und unverblümt im frühen von Konventionen noch ungeschliffenen Stummfilm der Vorkriegszeit ausagiert. ... In 'La paresse de Polycarpe' (Regie: Ernest Servaès, 1914) knockt eine stattliche Matrone immer wieder ihren untätigen Ehemann aus, der bei jeder der ihm aufgetragenen kleinen Verrichtungen im Haushalt stante pede einschläft. WeiblicheDurchsetzungsfähigkeit oder eine invertierte Version häuslicher Gewalt?"
Weitere Artikel: Im Filmdienstspricht Komponist Lorenz Dangel über seine Musik für MatthiasGlasners neuen Film "Sterben", in dem eine Komposition selben Namens eine tragende Rolle spielt. In einem Radioessay für den Dlferinnert Thekla Dannenberg daran, wie SiegfriedKracauer im Kinosaal die Arbeiterinnen entdeckte - so wie auch das Kino selbst die Arbeiterinnen als Thema entdeckte. In der FAZgratuliert Axel Weidemann MichaelMoore zum 70. Geburtstag. Besprochen werden ParkChan-wooksSky-Serie "The Sympathizer" (Freitag, mehr dazu bereits hier) und die auf UniversalTV gezeigte Serie "The Spencer Sisters" (FAZ).
Eigentlich feiern die InternationalenKurzfilmtageOberhausen in diesem Jahr ihr 70. Jubiläum - doch es hagelt am laufenden Meter in ihrem Umfang mittlerweile programmgefährdende Absagen. Der Grund? Festivalleiter LarsHenrikGass hatte es gewagt, den Jubel auf der Sonnenallee über das Hamas-Massaker vom 7. Oktober als das zu bezeichnen, was er war - Hamas-Propaganda und Judenhass -, und zur Solidarität mit Juden aufgerufen. Das wurde ihm prompt bösartig als Angriff auf alle palästinensischen Menschen umgedeutet, unter anderem in Form anonym lancierter Unterschriftenaktionen. Solche "Kampagnen hält Gass für eine 'neue Qualität der Repression'", schreibt Alexander Menden in der SZ. "'Die Sektion, die Filmlaboren gewidmet war, mussten wir ganz stornieren', sagt Gass. ... Es ist schwer zu sagen, ob die Oberhausener Absagen auf Überzeugungen beruhen oder ob sie das Ergebnis eines Gruppendrucks sind. Der Kulturbereich ist nun mal klein, man kennt sich und ist voneinander abhängig. Lars Henrik Gass sieht eine Art Dominoeffekt am Werk: 'Ein Filmemacher, der sich bewirbt, muss sich vor seinem Verleih, der Verleih vor anderen Verleihen rechtfertigen: Warum gehst du nach Oberhausen?' Etwa 20 Prozent des gesamten Programms hätte in der Folge nachgearbeitet werden müssen."
Weiteres: Die Regisseurin KatRohrer, die mit "What a Feeling" gerade die erste queere Komödie aus Österreich vorgelegt hat, spricht im Standard mit Valerie Dirk über den Stand der Dinge der queeren Repräsentation im österreichischen Film. Besprochen werden RyūsukeHamaguchis "Evil Does Not Exist" (JungleWorld, FAZ, mehr dazu bereits hier), MartinDurkins auf Youtubegezeigter, klimawandel-skeptischer Film "Climate: The Movie" ("ein völlig irreführendes Zerrbild von der Klimaforschung und der Klimapolitik", findet Sven Titz in der NZZ), MarkSalisburys Bildband "Being Bond: DanielCraig - Ein Rückblick" (FD) und die Amazon-Serie "Fallout" nach dem gleichnamigen Videospiel (FAZ).
Und beim Lichter-Filmfestival in Frankfurt unterhielt sich der Filmemacher ChristophHochhäusler mit den Architekten DietmarFeistel und HugoHerreraPianno über die Zukunft von Kino-Architektur:
"Ziemlich peinlich" findet es Peter Körte in der FAS, dass AngelaSchanelecs "Music" (unsere Kritik) für keinen Deutschen Filmpreis nominiert wurde. "Da verhält sich die internationale Anerkennung für Schanelecs Arbeit umgekehrt proportional zur Ignoranz in Deutschland. ... Am schlechten Einspielergebnis von 'Music' liegt es nicht" da die meisten der bereits angelaufenen nominierten Filme Zuschauerzahlen im unteren bis mittleren fünfstelligen Bereich aufweisen oder gar nur im vierstelligen Bereich wie auch Schanelecs Film. "Nur 'Ein ganzes Leben' von Hans Steinbichler, die Lebensgeschichte eines Hilfsarbeiters in den Alpen, brachte es auf rund 200.000 Zuschauer. Klar, Zahlen sind nicht alles, aber etwas zu erzählen haben sie auch. Verschämt wird beim Filmpreis seit 2014 zusätzlich der besucherstärksteFilm geehrt, der praktisch nie unter den Nominierten auftaucht."
Weitere Artikel: Thomas Abeltshauser spricht für die taz mit EleneNaveriani über deren Film "Amsel im Brombeerstrauch", der von einer Frau in Georgien erzählt, die in ihren Mitt-Vierzigern lustvoll ihren Körper entdeckt. Besprochen werden AlexGarlands "Civil War" (NZZ, mehr dazu bereits hier), Ryûsuke Hamaguchis "Evil does not exist" (Standard, mehr dazu bereits hier), Jochen Hicks Dokumentarfilm "Queer Exile Berlin" (online nachgereicht von der FAZ) und MattBettinelli-Olpins und TylerGilletts Horrorfilm "Abigail" (Standard).
Gestern gab es nur Interviews mit RyūsukeHamaguchi zu dessen neuen Film "Evil Does Not Exist", jetzt kommen doch noch Kritiken. Der Film handelt von einem in der beschaulichen Natur bei Tokio gelegenem Dorf, das sich dagegen zur Wehr setzt, dass sein Idyll durch einen luxuriösen Campingplatz für Stadtbewohner zerstört werden soll. Das "folgt oberflächlich betrachtet einer Ökoparabel", schreibt Barbara Schweizerhof in der taz, doch legt der Film widersprüchliche Fährten für Menschen, die Filmen noch aufmerksam folgen können: "Da ist erstens die Natur nie ganz harmlos, zweitens die Gemeinschaft nicht wirklich harmonisch und drittens ist es auch mit der kapitalistischen Gier nicht so einfach." So unterliegt in diesem Film "allen Beobachtungen eine gewisseSkepsis".
Einen überaus sinnlichen Film sahTagesspiegel-Kritiker Andreas Busche: "Hamaguchi entwickelt sozusagen eine ökologischeFilmästhetik. In der Eröffnungssequenz gleitet die Kamera minutenlang zu sanft dissonanten Klängen die Baumwipfel entlang, Hamaguchi hat seinen Film gemeinsam mit Eiko Ishibashi komponiert: Ihre Musik sowie die Landschaft dienen als Inspiration für die Bilder, der Regisseur folgt lediglich Vorgaben." Das übt auch auf Artechock-Kritikerin Dunja Bialas einen erheblichen Reiz aus: "In narrativen Zeitkapseln arbeitet Hamaguchi gegen den konsumierbaren Plot an, entdramatisiert, entschleunigt und verrätselt seine parabelhafte Erzählung, kehrt immer wieder zu Momenten der Vergangenheit zurück oder dehnt die erzählte Zeit, indem er einfach nichts erzählt. Indem er die Natur dem Blick der Kamera überlässt, das Ohr einfach nur hören lässt, die Musik, das Rauschen der Natur."
Außerdem: Dass HolgerRoost-Macias' Dokumentarfilm "Sehnsucht nach Unschuld" über LeniRiefenstahls Reisen zu den südsudanesischen Nuba in den Sechzigern und Siebzigern im Filmmuseum München nach Protesten migrantischer Initiativen nun doch nicht gezeigt wurde, hält Andreas Platthaus in der FAZ für eine verpasste Chance einer "Auseinandersetzung über Riefenstahl". Elke Eckert wirft für Artechock einen Blick ins Programm der TürkischenFilmtagein München.
Besprochen werden MattBettinelli-Olpins und TylerGilletts Horrorfilm "Abigail" (Perlentaucher), EleneNaverianis "Amsel im Brombeerstrauch" (online nachgereicht von der FAZ), AlexGarlands "Civil War" (Artechock, Standard, mehr dazu bereits hier), VérénaParavels und LucienCastaing-Taylors auf Mubi gezeigter Dokumentarfilm "De Humani Corporis Fabrica" über das Innere des menschlichen Körpers (NZZ), die französische, auf Netflix gezeigte Actionserie "Furies" (Presse) und AldoGugolz' Dokumentarfilm "Omegäng" über SchweizerDialekte (NZZ).
Science-Fiction-Auteur Alex Garland malt sich in "Civil War" einen amerikanischenBürgerkrieg in naher Zukunft aus, vermittelt durch die Perspektive der Kriegsfotografin Lee (KirstenDunst), die durch mehrere US-Staaten reist. Es ist entsprechend "kein Film über das Leid, das der Krieg bringt, sondern ein Film über das Betrachten des Leids", schreibtPerlentaucher Karsten Munt, den Garlands medienkritischer Gestus allerdings ziemlich frustriert: "Der Road-Trip, zu dem Lee und ihre Wegbegleiterinnen aufbrechen, weist mitunter durchaus das Potenzial auf, an sujet-verwandte Genreklassiker und ihre Schnörkellosigkeit anzuknüpfen. ... Garland aber möchte seinen Film sichtbar als thinkingman's Genrestück verstanden wissen. 'Civil War' positioniert sich jedoch nicht zur politischen Realität 'am Boden', sondern wirft vom Treppenabsatz aus Fragen ein - rhetorische Fragen, versteht sich. Der Vibe des Films ist der eines passiv-aggressivenTweets: provozierend genug, um Resonanz zu fordern; ungebunden genug, um direkt für den nächsten ausgetauscht zu werden."
"Die Geschichte macht sich die emotionale Kälte ihrer Figuren zu eigen, die nichts mehr zu schocken scheint", hält Philipp Rhensius in der taz fest. Aber "darf ein Film, der indirekt stets auf die Situation der gespaltenen US-Gesellschaft schielt, ohneLehren auskommen?" Vielleicht schon, meint er: "So ließe sich Brechts Aphorismus für 2024 updaten. Stell dir vor, es läuft ein Kriegsfilm und niemand weiß, um was es geht, aber wie. Vielleicht hat derart immersiveAction in einer Zeit, in der vor allem mit Gefühlen und nicht Argumenten Politik gemacht wird, mehr Abschreckungspotenzial." Chris Schinke blickt in der Jungle World eher mit Sorge auf den Film, dessen Regisseur sich der diffusen Untergangs- undBürgerkriegslust der radikalisierten amerikanischen Rechten (sowie der Popkultur) vielleicht nicht andienen wolle, dieser aber trotzdem in die Hände spiele: "'Civil War' gerät durch den Flirt mit der totalen Revolte in den unheimlichen Bann der seltsam ubiquitären Untergangsfantasie." FR-Kritiker Daniel Kothenschulte entdeckt in dieser "fast surrealen Alptraumreise" auch "ein Roadmovie, das an das New Hollywood der Sechziger und Siebziger erinnert". Valerie Dirk porträtiert im StandardKirstenDunst. Weitere Artikel: "Evil Does Not Exist", den neuen Film des japanischen Oscarpreisträgers RyûsukeHamaguchi, will offenbar niemand besprechen, aber alle wollen mit seinem Macher sprechen: Interviews gibt es in FR, Tagesanzeiger, Freitag und SZ. Andreas Scheiner erzählt in der NZZ von seinem Treffen mit dem Filmemacher JohnWilson. Carmen Paddock rankt für VAN die besten Opernhausszenen im Film. Besprochen werden eine DVD-Ausgabe von HouHsioa-hsiens "Millennium Mambo" (taz), die HBO-Serie "The Sympathizer" nach dem gleichnamigen Roman von VietThanhNguyen (Welt, Presse, mehr dazu hier) sowie RachelRamsays und JamesErskines beim Internationalen Frauen Film Fest Dortmund+Köln gezeigter Dokumentarfilm "Copa '71" über die Frauen-WM1971in Mexiko (SZ). Außerdem verrät das Filmteam der SZ, welche Filme sich in dieser Woche lohnen und welche nicht. Hier alle Kritiken des Filmdiensts zur aktuellen Kinowoche.
AlirezaKhatamis und AliAsgaris "satirischer Episodenfilm 'Irdische Verse' erzählt in neun Tableaus von den Auswirkungen der Sharia auf das Leben der Iranerinnen und Iraner im Gottesstaat", schreibt Heike Karen Runge in der Jungle World. Dabei geht es vor allem um "den ganz alltäglichen Irrsinn einer bizarren Glaubensbürokratie". Die Episode, in der eine Mutter für ihre Tochter in einem Bekleidungsladen ein Schleierset kaufen will und sich im Off des Bildes ein Dialog zwischen Mutter und Verkäuferin in den Details der bizarren Vorschriften verliert, zählt für Runge zu den Höhepunkten: "Unterdessen performt die Tochter im Stil von Tanzvideos eine Choreographie vor der Kamera und stellt der Mutter selbstbewusste Fragen - warum trägt sie das Gewand denn nicht, wenn sie es doch so schön findet? Wie sich das fröhlicheMädchen unter den Stoffmassen für einen Moment in ein traurigesGespenst verwandelt, bevor es den Hijab abnimmt, die pinken Kopfhörer wieder aufzieht und unbeeindruckt weitertanzt, ist nicht nur umwerfend inszeniert, sondern fragt implizit auch danach, welche Kräfte sich in Zukunft in der Gesellschaft durchsetzen werden."
Barbara Schweizerhof unternimmt für die taz einen Streifzug durch die Geschichte der Midlife-CrisisimKino, von Fellini über das US-Unterhaltungskino bis in die jüngere Arthouse-Gegenwart: Dabei zeigt sich ihr nicht nur, dass 90s-Mainstream wie "City Slickers" heute "weit altmodischer und angestaubter scheint als noch die katholischeExistenzialisten-Künstlichkeit von Fellini" und dass es gute Gründe dafür gibt, dass einst als Instant Classics gehandelte Filme wie "American Beauty" zu Klassikern dann doch nicht wurden. Männer stehen allerdings überall im Mittelpunkt, mit Ausnahmen: "Einen der schönsten und bis heute kaum übertroffenen Filme über eine Frau in der Midlife-Krise stammt aus dem Jahr 1978 und von einem Mann: PaulMazurskys 'Eine entheiratete Frau'. JillClayburgh spielt die Frau, die von ihrem Mann für eine Jüngere verlassen wird und sich selbst neu finden muss. Nicht nur der 70er-Jahre-Realismus macht den Film besonders, sondern auch die Tatsache, dass es am Ende doch nicht einfach ein neuer Mann (Alan Bates) ist, der ihr neues Glück beschert, sondern im Gegenteil, ihr Bestehen auf Selbstständigkeit. Jüngere Filme wie 'Unter der Sonne der Toskana' (2003) oder 'Eat Pray Love' (2010) folgen da immer noch dem alten Klischee."
Besprochen werden CarlaGutiérrez' Dokumentarfilm über FridaKahlo (NZZ), ChristopherZallas Schuldrama "Radical" (Standard), neue deutsche Thriller von MarvinKren und LarsBecker (Welt), die Apple-Serie "Franklin" mit MichaelDouglas (SZ, in Online-Auslieferung vom TA), die Amazon-Serie "Fallout" (Presse) und das ZDF-Porträt "Mensch Merz - der Herausforderer" (ZeitOnline).
In der FAZgratuliert Claudius Seidl EllenBarkin zum 70. Geburtstag. Besprochen wird die auf Disney+ gezeigte, nigerianische Science-Fiction-Serie "Iwájú", die von einem futuristischen Lagos handelt (taz).