Abel Quentin

Der Seher von Étampes

Roman
Cover: Der Seher von Étampes
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2024
ISBN 9783751809641
Gebunden, 350 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Laura Strack. Jean Roscoff versteht die Welt nicht mehr. Eigentlich wollte er mit seinem Buch "Der Seher von Étampes" eine Hommage auf einen unbekannten afroamerikanischen Dichter schreiben, stattdessen hat er den größten Literaturskandal in der jüngeren Geschichte Frankreichs ausgelöst. Im Internet wütet ein heftiger Shitstorm, Presse und Rundfunk machen dem pensionierten Akademiker mit Hang zu Alkohol, Nostalgie und Fettnäpfchen öffentlich den Prozess. Der Vorwurf: kulturelle Aneignung. Denn seit Roscoff in den 1980er-Jahren als löwenmähniger Postpunk auf die Straße ging, haben sich die ideologischen Koordinaten des linken Antirassismus verschoben. Was einst progressiv war, gilt heute als reaktionär. Wie ein Seismograf für gesellschaftliche Erdbeben verzeichnet Abel Quentin die neuesten Verwerfungen im unwegsamen Terrain der Moral. Mit satirischem Scharfsinn seziert er die Dynamiken des digitalen Meinungskampfes und entwirft ein bissiges Porträt der Medienwelt. Vor allem aber nimmt er seine Figuren beim Wort, folgt ihnen durch ihre höchst unterschiedlichen Milieus und interessiert sich - immer scharfzüngig, nie gnadenlos - für ihr Hadern mit der Welt, den anderen und sich selbst. 

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 10.05.2024

Sich der blind machenden Polemik, dem Schwarz-Weiß-Denken und der Selbstgerechtigkeit verweigern, stattdessen:  reflektieren, den eigenen Blickwinkel in Betracht ziehen, Ambivalenzen aus- und Nuancen zulassen, dafür plädiert Abel Quentin in "Der Seher von Étampes", und das auf überaus intelligente Weise, "ernst und zugleich unterhaltsam", findet Rezensentin Sigrid Brinkmann. Herrlich sarkastisch, schonungslos, aber nie empathielos erzählt er die Geschichte eines pensionierten, erfolglosen Historikers, der mit Mitte Sechzig nochmal von sich reden machen will, indem er über einen Kommunisten und Möchtegern-Lyriker schreibt. Die Ignoranz dieses Antihelden gegenüber der afroamerikanischen Herkunft seines Antihelden wird ihm zum Verhängnis, lesen wir, er gerät ins Visier von Aktivistinnen und Aktivisten der Identitätspolitik. Quentin karikiert in dieser Geschichte, insbesondere in den vielen grandiosen Dialogen, nicht nur die "Larmoyanz" des alten weißen Mannes, lobt Brinkmann, sondern auch die Selbstgerechtigkeit, die Anmaßung und die blinden Flecken jener, die ihn abkanzeln. Ein nuanciertes Buch über die Notwendigkeit des nuancierten Denkens, so die begeisterte Rezensentin.