Efeu - Die Kulturrundschau

Wieso gerieren diese Menschen sich so enthemmt?

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06.06.2024. In der Zeit hält Rem Koolhaas nichts vom "europäischen Zeigefinger" gegenüber autoritären Regimen: Wir müssen undemokratische Religionen und Regime akzeptieren, fordert er. Der diesjährige Preis der Nationalgalerie geht erstmals an alle vier Nominierten. Die Berliner Zeitung preist vor allem das Werk von Dan Lie: Eine Liebesgeschichte zwischen Pilzen, Bakterien und Insekten. Der Tagesspiegel badet in Dahlem in den Plüsch-Bunkern von Andreas Mühe. Die SZ zertrümmert in Köln Kafkas Käfer mit Axt und Golfschläger. Und der Perlentaucher fährt in Ali Ahmadzadehs "Critical Zone" im Taxi durch Teheran bei Nacht.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 06.06.2024 finden Sie hier

Kunst

Ausstellungsansicht. Dan Lie in Zusammenarbeit mit jenen, die nicht Menschen sind: The Reek, 2024. Hamburger Bahnhof. Courtesy Dan Lie

Mit James Richards, Hanne Lippard, Dan Lie und Pan Daijing teilen sich alle vier Nominierten den diesjährigen Preis der Nationalgalerie, die gemeinsame Ausstellung findet ab morgen im Hamburger Bahnhof statt. Im Tagesspiegel erkennt Birgit Rieger im Fokus auf den "Körper als Schnittstelle zur Welt" den roten Faden im Werk der KünstlerInnen: "Alle arbeiten multimedial, sprechen viele Sinne an, oft spielt Sound eine Rolle. So nutzt die schon lange in Berlin lebende Britin Hanne Lippard ihre Stimme, die Performance- und Klangkünstlerin Pan Daijing kreiert eine besondere Beziehung zum Raum. Videokünstler James Richards setzt in seinen Video- und Bildercollagen auf die Zusammenarbeit mit anderen. Bei Dan Lie geht es um die Kooperation mit nicht-menschlichen Organismen, mit Pflanzen, Pilzen, Bakterien, die schon viel länger den Planeten bevölkern als der Mensch."

In der Berliner Zeitung bewundert Ingeborg Ruthe vor allem Dan Lies Rauminstallation: "Diese 'Liebesgeschichte' ist ein ziemlich radikales Statement zum Rätsel des Lebens: Ein betäubender Geruch von Leben und Tod, von Vergangenheit und Zukunft, dieser süßlich faulende Gestank verwelkender Blumen, von Erde und Feuchtigkeit lässt an Friedhof denken. Oder an Urwald, wo sich immer alles erneuert, ohne den Eingriff der Menschen. Man sieht ein riesiges Vanitas-Bild, eine lebende und sterbende Installation aus tentakelartigen 'Ästen' von Bäumen, darauf keimenden Pflänzchen, Pilzen, Bakterien, kriechenden Insekten und in großen Girlanden, Gebinden oder auf unter Jutefetzen verborgenen Amphoren verwelkende Blumen. Das alles verwest, vertrocknet, verfällt im Laufe der Schau. Der ewige Kreislauf von Leben und Tod, von Werden und Vergehen und neuem Werden. Der Hoffnung."

Zum heutigen 80. Jahrestag des D-Day eröffnet im Berliner Kunsthaus Dahlem die Ausstellung "Bunker - Realer Raum der Geschichte", für die der Fotograf Andreas Mühe erstmals nicht Fotografien, sondern eine Installation ins Zentrum stellt. Birgit Rieger (Tsp) war bereits bei den Vorbereitungen zur Ausstellung dabei: "Für die Ausstellung hat er 6000 Bunker-Miniaturmodelle aus weichem Stoff anfertigen lassen, elf unterschiedlichen Formen - Bananenbunker, Kommandeursbunker, Offiziersbunker - drei verschiedene Grautöne, alle wurden sie von der Kösener Spielzeug-Manufaktur bei Naumburg von Hand genäht. Diese riesige Menge an 'Kuschel-Bunkern' soll in ein Becken im Kunsthaus Dahlem geschüttet werden. Wie im Bällebad im Einkaufsmarkt werden Besucher dann darin herumwaten können. (…) Mühe sagt, er blende bei seiner Kunst, die sich über Jahre hinweg entwickelt, die aktuelle Politik aus. Bei weich gewordenen Bunkern denkt man natürlich trotzdem an die aktuellen Kriege, in der Ukraine, in Gaza, an die zwiespältige Frage nach der Wehrhaftigkeit Deutschlands und Europas, an neu gebaute Bunker, an Kinder, die nicht darauf hoffen können, dass ein Bunker sie noch vor Kriegen schützt."

Weitere Artikel: Im NZZ-Gespräch vor einer Woche hatten Kuratorin Ann Demeester und Philipp Hildebrand, Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft, die Schuld für das inzwischen auf 4,5 Millionen Franken angewachsene Defizit des Zürcher Kunsthauses vor allen bei den Vorgängern gesehen. (Unser Resümee) Einer der Vorgänger, Walter Kielholz, früherer Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft, will sich dazu nicht öffentlich äußern, weiß Thomas Ribi in der NZZ: "Nur so viel sagt er: 'Niemand wurde getäuscht.' Man habe die Kosten sorgfältig berechnet. So gut man es konnte, aufgrund der Zahlen und der Annahmen, die man vor der Abstimmung 2012 gehabt habe. Aber die Welt, sagt Kielholz, habe sich verändert." Im Tagesspiegel schreibt Birgit Rieger den Nachruf auf den im Alter von 88 Jahren gestorbenen französischen Fluxus-Künstler Ben Vautier.

Besprochen wird die Ausstellung "Changing States. Ireland in the 21st Century. Zeitgenössische Fotografie aus Irland" im Berliner Haus am Kleistpark (Tsp).
Archiv: Kunst

Architektur

Rem Koolhaas hat von Katar den Auftrag bekommen, einen "Masterplan" für das Land zu entwickeln, erzählt er im Zeit-Gespräch, in dem er von Kritik an dem Emirat nichts wissen will: "Wir arbeiten dort mit einem Regime zusammen, das nachdenklich und umsichtig ist, religiös und zugleich offen für Ideen von außen. Es ist ein Land mit sehr viel Geld, und es versucht, dieses Geld sinnvoll auszugeben. Dieses Regime achtet auch sehr auf seine Bevölkerung und die gesellschaftliche Entwicklung, deren Emanzipation." Überhaupt hält sich Koolhaas für einen "Diplomaten" zwischen den Kulturen, dem überall auf der Welt Kritik am "europäischen Zeigefinger" begegnet, etwa in China, wo man die "wachsende Feindseligkeit" nicht verstehe: "Wir sollten uns der Realität zuwenden, und in dieser Realität müssen wir uns einem ziemlich harten Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsräumen stellen, mit religiösen Weltanschauungen und politischen Systemen. Wir müssen akzeptieren, dass bestimmte Religionen eher undemokratisch sind und nicht alle Nationen einen Drang verspüren, sich in eine Demokratie zu verwandeln. Es ist an der Zeit, dass wir in Europa einen frischen Blick auf die Welt werfen, wie ein Anthropologe, der sich neugierig umschaut."

In jeder Hinsicht als "Glücksfall" wertet FAZ-Kritiker Wolfgang Jean Stock die Ausstellung "Schattner 100 - Die Kunst der Fuge", die das Diözesanmuseum Eichstätt dem Architekten Karljosef Schattner zum hundertsten Geburtstag ausrichtet. Denn nachdem Stock dessen Bauten zunächst in der kleinen Domstadt bewundern konnte, zeigt die Ausstellung Fotografien von Schattners "Leibfotografen" Klaus Kinold: "Zu sehen sind Bilder von zehn Hauptwerken Schattners, darunter auch von seinem eigenen Wohnhaus - die Spanne reicht von den Neubauten für die Katholische Hochschule aus dem Jahr 1965 bis hin zur 1992 vollendeten Erweiterung von Schloss Hirschberg im Altmühltal. Schon das zweite Beispiel aus dem Lebenswerk, der bis 1980 umgebaute Ulmer Hof, führt vor Augen, wofür Schattner dann international berühmt wurde: neues Bauen in alter Umgebung. Den zuvor offenen Hofraum verwandelte er zu einer hallenartigen Bibliothek."

Weitere Artikel: Nikolaus Bernau bedauert in der taz, dass nach der Sanierung des Pergamonmuseums, abgesehen von den Antikensälen, nicht mehr viel von der Ausstellungsarchitektur aus den dreißiger Jahren übrig sein wird: "Vor allem die zwischen 1930 und 1937 eröffneten Säle des Südflügels sind keineswegs eine neutrale Hülle für teils Jahrtausende alte Objekte aus der heutigen Türkei, dem Irak, Syrien und Libanon, die nach Ausgrabungen im Osmanischen Reich bei Fundteilungen oder auf dem Kunstmarkt erworben wurden. Zu sehen ist gewiss eine Inszenierung des westlichen Orientbildes, aber eben auch der modernistischen Lust auf Farbe und Glanz: Die Reliefs aus schimmerndem Ziegel gleichen nicht zufällig Raumausstattungen des amerikanischen und französischen Art Déco oder den Berliner U-Bahnhöfen Alfred Grenanders, der im Bahnhof Klosterstraße 1928 sogar direkt Testversuche aus den Babylon-Sälen einbaute."

Besprochen wird die Ausstellung "Profitopolis oder der Zustand der Stadt" im Berliner Werkbundarchiv (taz)
Archiv: Architektur

Literatur

Für die Welt porträtiert Sarah Pines den franzöischen Comiczeichner Joann Sfar, der sich über den zunehmenden Antisemitismus in der Linken sorgt. Marcus Müntefering spricht im Freitag mit dem Krimi-Autor Friedrich Ani über dessen Entscheidung, mit "Lichtjahre im Dunkel" seine bekannteste Ermittlerfigur Tabor Süden nach 22 Fällen loszulassen. Andreas Platthaus wirft für die FAZ einen Blick in die Rilke-Bestände im Literaturarchiv Marbach. Die Welt hat Marko Martins Text darüber, warum Kafka im Ostblock so lange tabu war, online nachgereicht. Suhrkamp möchte die Villa Unseld in Frankfurt und damit "die letzte Frankfurter Spur von Siegfried Unselds Wirken" verkaufen, meldet Florian Balke in der FAZ. Dlf Kultur bringt ein Literaturfeature von Joachim Scholl zum D-Day in der Literatur.

Besprochen werden unter anderem Toxische Pommes' "Ein schönes Ausländerkind" (Freitag), Ralf Königs Comic "Harter Psücharter" (Tsp) und Alhierd Bacharevičs "Europas Hunde" (FAZ). Mehr ab 14 Uhr in unserer aktuellen Bücherschau.
Archiv: Literatur

Musik

Wer beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk Geld sparen will, verweist gerne auf die Rundfunkorchester, die man ja wahlweise zusammenlegen, ganz abschaffen oder deren Präsenz im Radio man reduzieren könne. Dabei ist ihr Anteil am großen Topf des Rundfunksystems mit 187 Millionen Euro im Jahr verhältnismäßig gering, hat Axel Brüggemann für Backstage Classical ausgerechnet - und man bekommt dafür einiges: "Die großen Rundfunkorchester spielen viele Konzerte vor Ort, gehörten zu den großen musikalischen Playern ihrer Regionen und sind durchaus dabei, ihre Rolle im Zeitalter der Multimedien neu zu definieren." Etwa das Orchester des Hessischen Rundfunks "meint es ernst, wenn es darum geht, Musik allen Menschen zur Verfügung zu stellen und reagiert mit viel Kraft auf den digitalen Medienwandel. ...  Sender stecken mit ihren Orchestern bereits in der digitalen Erneuerung und interpretieren den einstigen Auftrag, Musik für das Programm einzuspielen, längst neu. Sie verstehen, dass das Radio von gestern das Netz von heute ist - und dass die Legitimation der Rundfunkgebühren auch darin besteht, allen Menschen im Land Musik zugänglich zu machen."

Der SWR wusste bereits im Vorfeld der Berichterstattung davon, dass ein Tenor seines Vokalensembles sich auf Social Media durch Liebesbekundungen an Putin und mit Fotos, auf denen er mit russischer Flagge vor russischen Panzern posiert, hervortut, berichtet Axel Brüggemann auf Backstage Classical. "Dass der Sender nicht handelte, erklärte der SWR damit, dass es sich um 'private Äußerungen auf einem privaten Facebook-Account' gehandelt habe, und dass Alexander Y. in Deutschland das Recht auf Meinungsfreiheit genieße." Pikant dabei: Das SWR-Vokalensemble soll heute unter dem Dirigat von Teodor Currentzis Benjamin Brittens "War Requiem" aufführen, vom SWR als Statement für den Frieden gebrandet. "Ein War Requiem als Kritik am Angriffskrieg Russlands - mit einem Dirigenten, der in Russland mit Gazprom und der VTB-Bank kooperiert und eventuell mit einem Tenor, der auf seiner Facebook-Seite den Sieg Russlands wünscht. Wer soll das verstehen?"

Hartmut Welscher blickt für VAN auf die Reaktionen zu den Vorwürfen, die dem Dirigenten François-Xavier Roth in den letzten zwei Wochen gemacht wurden und die ihn binnen kürzester Zeit über weite Strecken im Klassikbetrieb zu Fall brachten. Dass der Intendant der Kölner Philharmonie, Louwrens Langevoort, weiterhin zu seinem "Freund" Roth stehen will, findet Welscher nicht nur sanft irritierend: "Im Fall Currentzis hatte Langevoort letztes Jahr moralische Kriterien angeführt, als er den griechisch-russischen Dirigenten auslud, weil dieser sich nicht kritisch zu Russlands Angriff auf die Ukraine geäußert habe. ... Da muss die Frage erlaubt sein: Wer entscheidet, wer in der Kölner Philharmonie auftreten darf, die Moral, das Recht, oder der Kölsche Klüngel? In dieser Hinsicht werden die kommenden Wochen auch zeigen, wer in Köln zu welchem Zeitpunkt wie viel wusste, warum die Vorwürfe nicht früher ans Licht kamen und wer möglicherweise geschwiegen oder verschwiegen hat, zum Beispiel, weil im Zweifelsfall das Ansehen und die künstlerische Entwicklung eines Orchesters als wichtiger erachtet wurden."

Weitere Artikel: Die Pianistin Elena Bashkirova, die ab morgen in Berlin das Kammermusikfestival Intonations in Berlin ausrichtet und dafür das Jerusalem Chamber Music Festival in die Stadt holt, findet es "feige", wenn Veranstalter von Konzerten mit israelischen Orchestern diese aus Furcht vor einschlägigem Radau absagen, sagt sie im FAZ-Gespräch: "Ich habe keinen Respekt davor." Mit Sorge betrachtet Merle Krafeld in VAN, dass mit dem durch herben Personalmangel bedingten Dahinsiechen des Musikunterrichts langsam auch "der Boden, auf dem das klassische Musikleben in Deutschland wurzelt, erodiert". Holger Noltze verzweifelt im VAN-Kommentar über jene Teile des Konzertpublikums, die mit Husten, Handyklingeln, Nasepopeln und auf dem Boden zum Rollen gebrachten Flaschen noch jede Aura eines Klassikkonzerts zunichte machen. Für VAN blickt Gunnar Leue auf die Beziehung zwischen Fußball und Klassik. Konstantin Nowotny schreibt im Freitag zur Kartellklage in den USA gegen eine Konzertticketplattform. Christoph Amend schreibt in der Zeit über Madonnas Verhältnis zu ihrem Vater.
Archiv: Musik

Film

Stadt ohne Hoffnung: "Critical Zone" von Ali Ahmadzadeh

Das Filmforum im Museum Ludwig in Köln zeigt am kommenden Sonntag im Rahmen des Filmfestivals "Visions of Iran" Ali Ahmadzadehs klandestin produzierten, letztes Jahr in Locarno mit dem Goldenen Leoparden ausgezeichneten Film "Critical Zone", der später im Jahr auch regulär in die Kinos kommt. Für den Perlentaucher bespricht Alice Fischer den Film über einen Drogendealer, der mit einem Taxi durch die Nacht von Teheran streift. "Immer scheinen durch das Dunkel der Nacht die bunten Lichter Teherans - allerdings transportieren sie keinen Hoffnungsschimmer, halten keine Erlösung bereit für die existenzielle Einsamkeit, an denen die Figuren des Films leiden. Diese Stadt und dieses Land, regiert von Fanatikern, haben den Menschen nichts mehr zu bieten. Sie fliehen, bewegen sich unter dem Radar und suchen nach der kleinen Freiheit im Rausch. Die Verzweiflung schlummert unterschwellig und bricht sich nur ganz selten Bahn, vielmehr hat sich Abgestumpftheit und Sprachlosigkeit breit gemacht."

Weitere Artikel: Daniel Gerhardt plaudert für Zeit Online mit Daniel Brühl über seine Rolle als Karl Lagerfeld in einer (im Freitag besprochenen) Disney-Serie. Patrick Heidmann spricht für die taz mit den Brüdern Bill und Turner Ross, deren Roadmovie "Gasonline Rainbow" gerade auf Mubi läuft. In seiner Textreihe zur Geschichte des Heist-Movie erinnert Leo Geisler im Filmdienst an John Flynns "Revolte in der Unterwelt" von 1973. Beim österreichischen Filmpreis konnten Veronika Franz' und Severin Fialas "Des Teufels Bad" acht Auszeichnungen einheimsen, berichtet Valerie Dirk im Standard.

Besprochen werden unter anderem Klaus Sterns Dokumentarfilm "Watching You" über den Überwachungskonzern Palantir (FAZ), Leslie Frankes und Herdolor Lorenz' Dokumentarfilm "Sold City" über den Irrsin auf dem Wohnungsmarkt (Freitag), die DVD-Ausgabe von Jérémie Périns Animationsfilm "Mars Express" (taz), Ishana Shyamalans Horrorfilm "They See You" (FR), Nikolaj Arcels Historienfilm "King's Land" (taz), Marcus Vetters und Michele Gentiles Dokumentarfilm "War and Justice" (FR), die neue "Star Wars"-Serie "The Acolyte" (Tsp, online nachgereicht von der Welt) und Michael Klofts NDR-Doku "24 h D-Day" über die Landung der US-Streitkräfte in der Normandie heute vor 80 Jahren (Welt).
Archiv: Film

Bühne

Kafkas Käfer mal anders. Bild: Paul Max Fischer

Einer ganz eigenen Annäherung an Kafkas "Verwandlung" wohnt SZ-Kritiker Martin Krumbholz beim Impuls-Festival in Köln, Düsseldorf und Mühlheim bei. Dort nämlich wurde er von Performer Manuel Gerst, Gründungsmitglied der freien Theatergruppe Monstertruck, aufgefordert, in einem Happening einen VW-Käfer mit Hämmern, Äxten, Golfschlägern und Mistgabeln zu zertrümmern: "Jemand sprüht in großen weißen Lettern 'Sei zärtlich' auf die Karosserie. Es dauert fast eine Stunde, bevor sich die Stoßstangen lösen lassen. Obwohl die Leute sich wirklich alle erdenkliche Mühe geben. Leicht zu dechiffrieren ist das Happening nicht. Vielleicht liegt darin sogar seine Qualität. Einerseits gilt der auf den ersten Blick fast unschuldige VW-Käfer vermutlich als Repräsentant fossiler Energien. Andererseits gerät aber auch die tatsächlich staunenswerte Zerstörungslust der ja ganz und gar freiwillig Mitwirkenden kritisch oder ethnologisch in den Blick. Was ist da los? Wieso gerieren diese Menschen sich so enthemmt, nur weil man ihnen (scheinbar?) freie Bahn lässt?"

Besprochen werden Modest Mussorgskys "Chowanschtschina" an der Berliner Staatsoper unter den Linden (FAZ, Welt, NZZ, VAN und ND - mehr hier), Janusz Kicas Inszenierung von Carlo Goldonis "Trilogie der Sommerfrische" am Wiener Theater in der Josefstadt (FAZ), Florentina Holzingers Performance "SANCTA" in Schwerin (Zeit) und das Körber Studio Junge Regie in Hamburg (taz).
Archiv: Bühne